RICHTIGE ZEITPLANUNG
Wie sieht die richtige Zeitplanung für eine Ausschreibung aus? Wann wird der Einkauf informiert? Und wann wird der Einkauf aktiv?
Gibt es überhaupt eine „richtige“ und eine „falsche“ Zeitplanung? Besser ist es zwischen einer zu großzügigen und einer zu knappen Zeitplanung zu unterscheiden.
Werfen wir zuerst einen Blick auf die zu großzügige Zeitplanung: Sie birgt das Risiko, dass das Projekt vor sich hindümpelt, ständig Wünsche hinzukommen oder geändert werden und letztendlich doch alles erst am Ende hektisch abgearbeitet wird.
Ein Blick auf die zu knappe Zeitplanung zeigt wiederrum: Sie erzeugt hohen Druck, birgt die Gefahr, dass Inhalte nicht sorgfältig erarbeitet und durchdacht werden können oder Termine sogar verschoben werden müssen.
Es empfiehlt sich also, wie meistens, der goldene Mittelweg. Bereits während des laufenden Betriebs:
Vertragsdauern im Blick behalten
die Bedürfnisse klären und
Inhalte strukturiert sammeln
Dies ist die Aufgabe des betroffenen Fachbereichs. Werden diese Punkte dann nach geregelten Abläufen und in standardisierten Unterlagen erfasst, verringert sich bei der eigentlichen Erstellung der Ausschreibung der zeitliche Rahmen erheblich.
Aber wann kommt der Einkauf ins Spiel? Bereits zu Beginn, erst bei der Preisverhandlung oder zwischen drin? Um diese Fragen zu beantworten, muss ein Blick auf die Phasen der Ausschreibungen geworfen werden.
1. KONTEXTKLÄRUNG
In der (Kontext-)Klärungsphase werden die wesentlichen Eckpunkte des Ausschreibungsverfahrens, sowohl inhaltlich als auch zeitlich, festgelegt. Hier gehen Erfahrungen, Erwartungen und Wünsche des zukünftigen Auftraggebers ein. Beim Abstecken der Rahmenparameter zum zeitlichen Ablauf der Ausschreibung sollte initial der Einkauf eingebunden werden.
Auch bei absolut klaren Anforderungen und gut funktionierenden Abläufen sollte hier mindestens eine Woche angesetzt werden. Je komplexer die Anforderungen oder je unkonkreter die bestehenden Vorstellungen sind, z. B. bei völlig neuen Serviceanforderungen, umso größer ist der Zeitaufwand zu bemessen.
2. ERSTELLUNG DER AUSSCHREIBUNG
In der eigentlichen Erstellungsphase der Ausschreibung erfolgt die vollständige Aufarbeitung aller Leistungsinhalte. Hier sind sowohl dem Auftragsvolumen, der Komplexität des Service und der vorgegebenen Ausschreibungsform Rechnung zu tragen. Auch hier spielen die Vorgaben des Einkaufs und eventuell des Rechtswesens eine Rolle.
Gemäß dem englischen Sprachgebrauch wird bei den Ausschreibungsvarianten unterschieden zwischen:
RfI (Request for Information – Leistungsanfrage): Es werden potenzielle Lieferanten angefragt, ob sie einen skizzierten Bedarf grundsätzlich erfüllen könnten. In der Regel enthalten die abgegebenen Antworten Listenpreise. Diese Variante eignet sich zur ersten Marktsondierung zu einem Thema.
RfQ (Request for Quotation - Preisanfrage): Hier werden zu einem detaillierten beschriebenen Bedarf (Lastenheft) eine Leistungsbeschreibung mit einem möglichst präzisen, aber in der Regel unverbindlichen Preis angefordert.
RfP (Request for Proposal - Aufforderung zur Angebotsabgabe): Dies ist die häufigste Ausschreibungsform. Die Anfragen enthalten eine detaillierte Leistungsbeschreibung, sowie alle zum Vertragsabschluss gehörenden Zusatzvereinbarungen. Die abgegebenen Angebote sind innerhalb der angegebenen Gültigkeitsfrist in der Weise bindend, dass ein Vertragsschluss durch bloße Annahmeerklärung des Auftraggebers zu Stande kommt. Es besteht jedoch keine Verpflichtung zur Annahme des Angebots auf Seiten des Auftraggebers.
RfF (Request for Feature - Aufforderung zur Angebotserweiterung): Hier wird eine Anforderung zur Erweiterung eines Angebots ausgesprochen.
Öffentliche Ausschreibungen: Für öffentliche Ausschreibungen gilt das „Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen“ (Government Procurement Agreement, kurz GPA) ab Schwellwerten EU-weit und unterhalb von Schwellwerten nationales Recht. Hier gibt es relativ strikte Regelungen über Aussehen, Form und Verlauf. Diese fallen aus der hier beschriebenen Darstellung.
Sowohl RfI und RfQ finden oftmals im Rahmen von Ideenwettbewerben Anwendung und werden in der Regel bereits vergütet. Am Ende der Erstellungsphase steht die Bekanntmachung der Ausschreibung. Dies sollte im Allgemeinen in der Zuständigkeit des Einkaufs liegen. Je nach Ausschreibungsform und Komplexität sind mindestens vier bis zehn Wochen für diese Phase zu reservieren.
3. BIETERPHASE
In der Bieterphase erfolgt die Kommunikation mit den Bietern und die Bieterlogistik. Dies beinhaltet die Beantwortung von Bieterfragen, die Organisation von Bieterworkshops und strukturierte Fragen- und Antwortlogistik (Q&A) für Bieter und Auftraggeber. (vgl. Fachtipp „Q&A-Verfahren für Bieterrückfragen“)
Diese Phase betrifft in der Regel ausschließlich die Fachabteilung. Der Einkauf hat hier keine Aufgaben zu erledigen. Für diese Phase sind ebenfalls mindestens vier bis zehn Wochen zu veranschlagen.
4. BEWERTUNG
An die Bieterphase schließt sich die Bewertungsphase an. Es werden die Angebote gesichtet, bewertet, ein Preisspiegel erarbeitet und am Ende ein Vergabevorschlag seitens des Fachbereichs für den Einkauf formuliert. Erfahrungsgemäß dauert dies je nach Ausschreibungsumfang mindestens vier bis sechs Wochen.
5. VERGABE
Die Vergabephase sollte das alleinige Hoheitsgebiet des Einkaufs sein. Hier sitzen die Profis. Denn nun geht es an die Preisverhandlung.
Verhandelt werden sollte ausschließlich der Preis, nicht jedoch die Leistung. Sonst droht eine Lücke im zu erbringenden Service.
Die Dauer dieser Phase hängt von der Strategie, der Verhandlungsposition und der Kompromissbereitschaft aller beteiligten Parteien ab. Für eine schnelle Einigung sollten hier ebenfalls vier bis zehn Wochen angesetzt werden.
Die eigentliche Ausschreibung und damit auch die Beteiligung des Einkaufs ist mit der Vergabe beendet. Gegebenenfalls schließt sich bei Dienstleisterwechsel oder bei neuen Services noch eine Transition an.
6. TRANSITION
Während der Transition erfolgt die Umstellung vom alten auf den neuen Dienstleister bzw. die Etablierung des neuen Services. Diese Phase dauert erfahrungsgemäß drei bis neun Monate. Hier liegt die Zuständigkeit beim Fachbereich.
FAZIT
Zusammenfassend lässt sich sagen:
Auch eine „zügige“ Ausschreibung braucht Zeit. Inklusive Transition sollte mindestens mit acht Monaten bis ein Jahr kalkuliert werden. Bei unklaren, neuen oder komplizierten Sachverhalten entsprechend länger.
Der Einkauf sollte bereits zu Beginn in die zeitliche Planung und bei der Bestimmung der Ausschreibungsform eingebunden werden.
Einheitliche Vorgehensweisen, standardisierte Ausschreibungsunterlagen und etablierte Bieterkommunikation und -logistik sorgen für Struktur und reduzieren den zeitlichen Aufwand.
Vertragsverhandlung und Vergabe ist die zentrale Kompetenz des Einkaufs und fällt in dessen Hoheitsgebiet.
Ein etabliertes Vertragsmanagement mit Blick auf Vertragslaufzeiten sorgt für vernünftige Zeiträume zur Planung und Ausschreibungserstellung.
Und bedenken Sie, nach der Vergabe ist vor der nächsten Ausschreibung.
ZUR AUTORIN
Dr. Birgit Trukenbrod hat Mathematik studiert und im Anschluss promoviert.
Sie war mehrere Jahre als Referentin im Produktmanagement und Marketing in einem großen Versicherungsunternehmen tätig.
Zudem übte Sie die langjährige Tätigkeit als Dozentin an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Aalen aus.
Seit 2015 ist Dr. Birgit Trukenbrod als Consultant bei der RÖWAPLAN AG angestellt. Sie ist im Geschäftsbereich Beratung tätig und hat Erfahrung im Bereich der Ausschreibung, des Audits, der Servicebeschreibung und des Projektmanagements sowie der Projektleitung vorzuweisen.
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