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  • AutorenbildDr. Birgit Trukenbrod

Pönale, Schadensersatz & Co. – Ein wirksames Steuerungsinstrument

Aktualisiert: 17. Aug. 2021

Im Vorfeld wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass dieser Beitrag ein Fachtipp mit der Beschreibung von Erfahrungen aus der Praxis und keine rechtliche Beratung darstellt oder ersetzt.

Wie im Fachtipp „Ausschreibungsdokumente – an alle Bestandteile einer Ausschreibung denken“ bereits beschrieben, gibt es einen Baustein in den Unterlagen, der sich mit dem Preismodell beschäftigt. Dort werden, neben den eigentlichen Preispositionen und dem Abrechnungsmodus, auch evtl. zu vereinbarende Pönalen oder Vertragsstrafen geregelt. Dabei stellt sich die Frage, was sind eigentlich Vertragsstrafen, wie sind diese richtig zu bemessen, auf was beziehen sie sich und wie sind diese genau zu formulieren.

Pönale, Vertragsstrafe, Schadenersatz und Co. sind doch alle dasselbe. Oder doch nicht? Was verbirgt sich hinter den Begriffen und was ist sinnvoll? Darum geht es in diesem Fachtipp.

 

PÖNALE


Die oder das Pönale leitet sich vom Lateinischen poenalis „die Strafe betreffend“ bzw. poena „die Strafe“ ab. Der Duden kennt für den Begriff Pönale zwei Bedeutungen. Zum einen Strafe und Buße, zum anderen Strafgebühr und Strafgeld.

Die Bezeichnung Pönale wird vermehrt noch im österreichischen Sprachraum benutzt. Wohingegen hierzulande sich der Begriff Vertragsstrafe oder Konventionalstrafe durchgesetzt hat.

 

VERTRAGS - ODER KONVENTIONALSTRAFE


Laut Duden ist eine Vertragsstrafe oder Konventionalstrafe eine „(bei Vertragsschluss vereinbarte) Geldsumme oder anderweitige Leistung, die ein Vertragspartner erbringen muss, wenn er die vertraglich vereinbarte Leistung nicht zum festgelegten Zeitpunkt oder in der festgelegten Weise erfüllt hat.“

Nach dem Grundsatz „pacta sunt servanda“ (Verträge sind zu erfüllen) sind die Parteien eines Vertrages verpflichtet, den von ihnen übernommenen vertraglichen Verpflichtungen zu entsprechen und die geschuldete Leistung fristgerecht, vollständig und ordnungsgemäß zu erbringen. Im Falle der (schuldhaften) Verletzung von derartigen Verpflichtungen durch eine Vertragspartei, stehen der anderen grundsätzlich Schadensersatzansprüche zu, wobei diese oft nur schwer zu beweisen sind. Unter anderem zur Erleichterung der Beweisführung gibt es die Möglichkeit, eine Vertrags- oder Konventionalstrafe zu vereinbaren.

Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) sieht also in der Vertragsstrafe zwei Funktionen:


  1. Dem Auftraggeber erspart sie den Nachweis des Schadens dem Grund und der Höhe nach, sofern der Schaden nicht höher als die Strafsumme ist.

  2. Sie gibt dem Auftraggeber eine Motivationshilfe für den Dienstleister in die Hand, damit dieser den Vertrag ordnungsgemäß erfüllt.

Ist eine Vertragsstrafe vereinbart, so muss nicht nachgewiesen werden, dass ein Schaden entstanden ist. Man hat Anspruch darauf, wenn der Vertragspartner nicht rechtzeitig oder vertragsgerecht seine Leistung erfüllt. Eine Vertragsstrafe kann also unabhängig davon anfallen, ob ein Schaden entstanden ist und wie hoch er gegebenenfalls tatsächlich ist. Der Vertragspartner hat zusätzlich zur Vertragsstrafe weiterhin den Vertrag zu erfüllen. Neben der Vertragsstrafe besteht ferner das Recht, Schadensersatz wegen einer Pflichtverletzung zu verlangen. Die Vertragsstrafe muss lediglich auf diesen Anspruch angerechnet werden.

Die Vertragsstrafe muss zwischen den Vertragspartnern gültig vereinbart werden. Sie kann sowohl bei Vertragsabschluss als auch nachträglich vereinbart werden.

Bei der Verhandlung über Vertragsstrafen prallen die gegensätzlichen Ziele von Einkauf und Lieferant aufeinander. Der Dienstleister möchte einen möglichst späten Zeitpunkt, zu dem die Regelung greift, der Einkauf hingegen frühzeitig. Zum Beispiel stehen sich Formulierungen wie „pro voller Woche“ und „pro angefangener Woche“ gegenüber. Der Dienstleister möchte eine möglichst niedrige Strafzahlung, z. B. einen Höchstbetrag auf Grundlage der ausstehenden Leistung festlegen, wohingegen der Einkauf einen größeren Höchstbetrag anstrebt, z. B. einen Festbetrag pro versäumten Liefertag oder einen Prozentsatz der Gesamtleistung. Die Höhe der Vertragsstrafe kann individuell ausgehandelt werden. Hier gibt es keinen Handelsbrauch.

Um die optimale Höhe der Vertragsstrafe festzulegen, sollten im Vorfeld mögliche Schäden durchgespielt werden und auf deren Basis die Strafe angesetzt werden. Liegt der Fokus auf der Vermeidung von Streitigkeiten, genügt eine Vertragsstrafe nahe der möglichen Schadenshöhe. Soll der Partner zu vermehrter Sorgfalt angehalten werden, sollte die Strafzahlung höher bemessen werden.

Mit einer (drohenden) Vertragsstrafe kann der Vertragspartner zur korrekten Erfüllung seiner Verpflichtungen „erzogen werden“, man hat ein Druckmittel in der Hand. Bereits der Hinweis auf eine mögliche Vertragsstrafe gegenüber einem wiederholt unpünktlichen oder unverlässlichen Partner signalisiert, dass Geduld und Toleranz nicht grenzenlos sind.

Argumente aus Sicht des Einkaufs für die Vereinbarung einer Vertragsstrafe:


  1. Es ist im Interesse des Einkäufers für die Firma und speziell für die Fachabteilung eine zuverlässige Lieferung oder Dienstleistung zu beschaffen.

  2. Ein zuverlässiger Dienstleister hat nichts zu befürchten.


Das Handelsgesetzbuch (HGB) verlangt von eine Sorgfaltspflicht im kaufmännischen Handeln.

Wehrt sich ein Dienstleister vehement grundsätzlich gegen eine Vertragsstrafe, stellt sich die Frage nach dessen Vertrauen in seine eigenen Leistungsfähigkeit. Im Allgemeinen ist es einfacher, einen neuen Dienstleister von der Notwendigkeit einer Regelung zu überzeugen als einen langjährigen Bestandsdienstleister. Bei Neuverhandlungen sollte daher nicht darauf verzichtet werden.

Eine Vertragsstrafe kann eingefordert werden, falls der Dienstleister schuldhaft seine Verpflichtungen verletzt. Dazu gehören u.a. Vorsatz oder Fahrlässigkeit. Sie wird hingegen nicht fällig, wenn z. B. der Grund für das Nichterfüllen des Vertrages bei höherer Gewalt oder Versäumnissen auf Seiten des Auftraggebers liegen. Da der Begriff „höhere Gewalt“ nicht eindeutig definiert ist, sollte mit dem Vertragspartner genau festgelegt werden, was darunter zu verstehen ist, z. B. Kriege, innere Unruhen, Eingriffe von Staatswegen oder Naturkatastrophen. Auf keinen Fall sollten Unfälle, sonstige Betriebsstörungen oder Verzögerungen seitens Subunternehmer des Dienstleisters als „höhere Gewalt“ oder Ausschlusskriterien akzeptiert werden.

Ein weiterer juristischer Stolperstein sollte bei der Abnahme der Leistung beachtet werden, um den Anspruch auf die Vertragsstrafe nicht zu verlieren: die Vertragsstrafe kann von dem Vertragspartner nur verlangt werden, wenn man sich das Recht auf die Vertragsstrafe bei Lieferung oder bei Abnahme vorbehält. Die Vertragsstrafe darf nicht einfach gegen die Rechnungssumme aufgerechnet werden. Es reicht nicht, einen Vorbehalt vor der Annahme der Lieferung oder vor Abnahme der Leistung auszusprechen. Es empfehlen sich Formulierungen, wie z. B. „Wir können die Vertragsstrafe bis zur Endrechnung geltend machen, auch wenn wir uns das Recht dazu bei der Abnahme der Leistung nicht ausdrücklich vorbehalten.“


Zudem sollte beachtet werden, dass Klauseln zur Vertragsstrafe nicht in die allgemeinen Einkaufsbedingungen gehören. Diese müssen individuell und einzelvertraglich mit den Dienstleistern festgelegt werden.


Eine Vertragsstrafe ist abzugrenzen vom Reuegeld oder einem pauschaliertem Schadensersatz.

 

REUEGELD


Ein Reuegeld ist eine Abstandssumme bei Vertragsrücktritt. Es wird einem Vertragspartner versprochen, falls der andere Partner vorzeitig aus dem Vertrag aussteigt und sich dadurch von seiner Erfüllungspflicht befreit.

 

SCHADENSERSATZ


Unter Schadensersatz versteht man den Ausgleich eines Schadens. Schadensersatzansprüche können sich aus dem Gesetz oder aus einem Vertrag ergeben.

Voraussetzung für die Haftpflicht ist grundsätzlich rechtswidriges oder schuldhaftes Handeln oder Unterlassen. Eine Haftung erfolgt nur bei eigenem Verschulden, und es muss eine sogenannte Kausalität zwischen der Handlung des Schädigers und dem Schaden bestehen. Der Schadensersatzanspruch ist auf Ausgleich des messbaren Schadens gerichtet.

In der Praxis ergeben sich hieraus mehrere Probleme:


  1. Es muss das schuldhafte Handeln des Dienstleisters nachgewiesen werden.

  2. Es muss die Kausalität nachgewiesen werden, d.h., dass tatsächlich das Handeln des Dienstleisters den Schaden verursacht hat und nicht andere Gründe verantwortlich sind.

  3. Es muss die Schadenshöhe messbar beziffert werden.

 

FAZIT


  1. Bringen Sie das Thema bereits bei Vertragsanbahnung zur Sprache.

  2. Machen Sie eine Vertragsstrafregelung zum Muss bei neuen Dienstleistern.

  3. Vereinbaren Sie stets bei Vertragsabschluss Vertragsstrafen.

  4. Verwenden Sie in Ihren Vertragsklauseln immer den Begriff „Vertragsstrafe“ oder „Konventionalstrafe“. Lieferanten benutzen gerne den Begriff „Verzugsentschädigung“, um so die gesetzliche Regelung zu unterlaufen.

  5. Analysieren Sie im Vorfeld mögliche Schadensszenarien, um die optimale Höhe einer Vertragsstrafe auszuloten.

  6. Machen Sie sich Ihr Ziel bei der Vertragsstrafe klar – Schadensausgleich oder Erziehungsmaßnahme.

  7. Beachten Sie, Klauseln zur Vertragsstrafe gehören nicht in die allgemeinen Einkaufsbedingungen. Sie müssen diese individuell und einzelvertraglich mit Ihren Dienstleistern festlegen.

  8. Beachten Sie den Vorbehalt von Vertragsstrafen bei Abnahme der Leistung.


Regelungen zu Vertragsstrafen sind weder unüblich noch unstatthaft. Sie gehören in jeden Vertrag und sind individuell auszuhandeln. Ein seriöser Partner, der sich seiner Leistungsfähigkeit bewusst ist, hat hiervon nichts zu fürchten. Beachten Sie aber auch, um unnötige Risikoaufschläge zu vermeiden, dass die Vertragsstrafen verhältnismäßig sind. Nutzen Sie das Instrument der Vertragsstrafe als Steuerungsinstrument, um die gewünschte Qualität einfordern zu können.

 

ZUR AUTORIN

Dr. Birgit Trukenbrod hat Mathematik studiert und im Anschluss promoviert.


Sie war mehrere Jahre als Referentin im Produktmanagement und Marketing in einem großen Versicherungsunternehmen tätig.


Zudem übte Sie die langjährige Tätigkeit als Dozentin an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Aalen aus. Seit 2015 ist Dr. Birgit Trukenbrod als Consultant bei der RÖWAPLAN AG angestellt.


Sie ist im Geschäftsbereich Beratung tätig und hat Erfahrung im Bereich der Ausschreibung, des Audits, der Servicebeschreibung und des Projektmanagements sowie der Projektleitung vorzuweisen.

 



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