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  • Helga Gradwohl

Preisbildung bei Serviceanfragen - teure Angebote vermeiden

Aktualisiert: 17. Aug. 2021


DER PREIS


Oft stellt man am eigenen Kaufverhalten fest, dass die Kaufentscheidung einem gewissen gedanklichen Prozess unterliegt, bei dem unbewusst Fragen beantwortet und dadurch Produkte bewertet werden. Sind mehrere Alternativprodukte verfügbar, wird sogar eine imaginäre Rankingliste für die Produkte erstellt.


Dieses Bewertungsverfahren liegt in Unternehmen auch vor, allerdings werden hier bereits im Vorfeld Kriterien zur Bewertung definiert. Diese Aufgabe ist u.a. deshalb so wichtig, da bei der Beschaffung von Produkten und Dienstleistungen hohe finanzielle Beträge vergütet werden und man als Unternehmen mit einem Servicevertrag auch langfristige, juristische Verpflichtungen eingeht. Auch wenn etwaige funktionale, technische, organisatorische und firmenpolitische Gesichtspunkte dagegen sprechen, wird der Entscheidung des Einkaufs meist ein Preisranking zugrunde liegen.


Die Aussage „Qualität hat ihren Preis!“ findet hier meist wenig Befürworter. Umso mehr müssen Fachabteilungen bei der Erstellung von Serviceanfragen darauf achten, die Stellschrauben bei Preispositionen richtig zu setzen und damit sogenannte „Preistreiber“ von vornherein zu eliminieren. Lesen Sie im Weiteren wie Sie bei Managed Service Ausschreibungen durch die Definition von cleveren Preispositionen teure Angebote vermeiden können. Bändigen Sie Preistreiber!

 

SCHRITT 1: RISIKO MINIMIEREN


An erster Stelle stellt sich die Frage: Was macht ein Serviceangebot teuer? Um diese Frage beantworten zu können hilft es, sich in die Position des Anbieters zu versetzen. Dieser kalkuliert seine Leistung so, dass alle Eventualitäten während der Vertragslaufzeit finanziell abgedeckt sind. Kann er z. B. nicht absehen, in welchem Umfang sich die Endkundenanzahl des von ihm zu betreuenden IT-Service im nächsten Jahr verändert, wird er wahrscheinlich auf seine Erfahrungswerte zurückgreifen und mit einem ungenauen Preisaufschlag das Risiko abzudecken versuchen.


Diese Risikokalkulation kann durch entsprechende Maßnahmen bei der Festlegung von angeforderten Preispositionen minimiert werden.

 

SCHRITT 2: PREISPOSITIONEN DEFINIEREN


Um die Preispositionen für die Leistungsumfänge definieren zu können, sollten an erster Stelle alle verfügbaren Zahlen und Informationen eines bestehenden Service zusammengetragen werden. Dies könnte, je nach Service, folgende Daten betreffen:


  • aktuelle Preise aus bestehenden Serviceverträgen

- monatliche/jährliche pauschale Beträge

- Leistungen, die nach Stück abgerechnet werden

- Leistungen, die gemäß Umsetzungsdauer abgerechnet werden

- Stundensätze/Tagessätze/andere Preise für definierte Zeiteinheiten

- Projektpreise

- Strafzahlungen

- Rabatte

- Preiskategorien (S, M, L/Gold, Silber, Bronze)


  • aktuelle Umfänge - Technik

- Anzahl technischer Komponenten von der Infrastruktur (Server) über Middleware (DBs) bis hin zur Applikation

- Anzahl Clients (Telefon, Laptop, PCs usw.)

- Anzahl Dienste

- Anzahl technischer Vorgänge (Logs, Releases, Updates, Backups, …)

- technische Leistungswerte (Verfügbarkeit, Performance, Auslastung, ...)

- Lagerbestände


  • aktuelle Umfänge - Prozesse

- Anzahl Prozesse (Störungsbeseitigung, Änderung, Dokumentation usw.)

- Anzahl Vorgänge in den Prozessen (Tickets, Calls, E-Mails, Dokumentationen usw.)

- Anzahl Endkunden

- Umfang Wissensdatenbank

- Anzahl Dokumente


  • Aktuelle Vereinbarungen (SLAs, OLAs, UCs) zum Service

- technische Verfügbarkeit

- personelle Verfügbarkeit

- Servicezeiten

- Bereitschaftszeiten

- Wartungszeiträume


  • Fähigkeit und Fertigkeit des Service Personals

- Mitarbeiterprofile

- Ausbildung

- Zertifikate

- Berufserfahrung


All diese Informationen zur aktuellen Qualität und Quantität des Service (IST) helfen einerseits dem Auftraggeber dabei den Service (SOLL) zu definieren und alle relevanten Preispositionen zu entwickeln. Andererseits kann der Anbieter mit den vom Auftraggeber genannten Zahlen genaue Berechnungen durchführen und muss somit keine ungenauen Annahmen treffen.

 

SCHRITT 3: PREISARTEN BESTIMMEN


Sind alle Daten zusammengetragen, erfolgt im dritten Schritt die, für die Abrechnung relevante Kennzeichnung der Preispositionen. Ziel ist es, genau festzulegen, welche Leistungsumfänge mit welcher „Preisart“ bepreist werden sollen.


Als Preisarten können

  1. Stückpreise,

  2. Preise gemäß Zeitaufwand und

  3. pauschale Preise

definiert werden.


Für die drei Preisarten gilt folgende Charakteristik, die sich aus Preisbeschreibung und Preiseigenschaft zusammensetzt.


1. Stückpreise

  • Beschreibung:

- Einzelleistungen, die nach Anzahl abgerechnet werden

  • Eigenschaften:

- Leistung lässt sich genau von anderen Leistungen abgrenzen

- Ergebnis der Leistung ist beschreib- und messbar

- Leistung ist wiederkehrend

- Leistungsabruf wird vom Auftraggeber gesteuert (nicht von Endkunden)

- Leistungsdauer ist gleichbleibend


2. Preise gemäß Zeitaufwand

  • Beschreibung:

- Einzelleistungen, die nach erbrachtem, zeitlichem Aufwand abgerechnet werden

  • Eigenschaften:

- Leistung lässt sich genau von anderen Leistungen abgrenzen

- Ergebnis der Leistung ist beschreib- und messbar

- Leistung ist wiederkehrend

- Leistungsabruf wird vom Auftraggeber gesteuert (nicht von Endkunden)

- Leistungsdauer ist nicht vorhersagbar


3. Pauschaler Preis

  • Beschreibung:

- mehrere Leistungen zusammengefasst zu einem pauschalen Preis, bezogen auf einen definierten Zeitraum

  • Eigenschaften:

- Preis sichert als „Basispreis“ die Anzahl des Standard-Servicepersonals und dessen Verfügbarkeit.

- Leistung deckt alles ab, was nicht nach Stück oder nach Zeitaufwand erfasst werden kann.


Die konsequente Differenzierung und Zuweisung der Preisarten zu den benötigten Leistungsumfängen bildet das Grundgerüst eines transparenten Preismodells.


Hinweis: Die Preispositionen sollten auch den Anforderungen der internen Leistungsverrechnung beim Auftraggeber entsprechen.

 

SCHRITT 4: MENGEN BESTIMMEN


Um ein vollständiges Preismodell zu erhalten, müssen zu den Preispositionen im letzten Schritt noch Angaben zu den Mengen als Forecast oder als zugesichertes Mengenvolumen hinzugefügt werden.


Nach Fertigstellung des Preismodells, mit allen relevanten Positionen, sollte der Auftraggeber selbst Preise in das Preismodell eintragen, um die Funktion des Modells zu erproben, etwaige Fehler aufzudecken (z. B. in Formeln) und die Angebotspreise abzuschätzen. Dies hilft sowohl bei der Budgetplanung und -beantragung als auch bei der Plausibilisierung der tatsächlichen Angebotspreise im Preisspiegel.


Abschließend sollte das Preismodell im Rahmen eines Bieter-Workshops nochmals erläutert werden. Die Anbieter haben dabei die Möglichkeit Fragen zu stellen und letzte Unklarheiten zu beseitigen.


In diesem Schritt des Verfahrens können noch Korrekturen vorgenommen werden, sofern sie an alle Beteiligte kommuniziert werden.


Abschließend möchten wir Ihnen den wichtigsten Tipp zur Preisbildung nennen:

Faire Zusammenarbeit und transparente Kommunikation zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer bilden die Basis für ein optimales Preismodell mit entsprechenden Angebotspreisen.

 

ZUR AUTORIN


Helga Gradwohl hat Betriebswirtschaft mit Schwerpunkt Informationsmanagement studiert und ist seit 2005 Teil des RÖWAPLAN-Teams.


Sie hat bei zahlreichen Service Ausschreibung mitgewirkt und war an der Entwicklung unseres „Ausschreibungs“-Produktes beteiligt.


Darüber hinaus hat sie viele individuelle Projekte rund um das Thema „IT-Service“ begleitet.

 

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