MAN KANN ÄPFEL NICHT MIT BIRNEN VERGLEICHEN
Wir Deutschen lieben Redewendungen: "Man kann Äpfel nicht mit Birnen vergleichen"
hat sicher jeder schon gehört und auch selbst schon verwendet, um jemandem mitzuteilen, dass nur Gleiches mit Gleichem vergleichbar ist.
Wie mit den Äpfeln und Birnen verhält es sich auch mit den Angeboten unterschiedlicher Bieter, die geprüft und bewertet werden sollen. Nicht jedes Bieterunternehmen hat dieselben Ansprüche an sein Angebot bezüglich Form und Inhalt. Welche Möglichkeiten gibt es also, um sicherzustellen, Angebote verschiedener Unternehmen innerhalb der Bewertung gegenüberstellen zu können?
AUF DEN INHALT KOMMT ES AN
Schon bei der Erstellung der Ausschreibungsunterlagen muss mitdefiniert werden, welche Anforderungen es an den Inhalt und an die Form des zu erstellenden Angebotes gibt. Dadurch erhält man im Nachgang größtmögliche transparente und präzise Angebote:
1. Was wollen wir vom Bieter wissen?
Bspw. Unternehmensauskünfte, Referenzen, Liefertreue (Redundanzen)
2. Wie soll das Angebot aussehen?
Bspw. Form- und Strukturvorgaben, Umfang, kostenlose Erstellung, Gültigkeit
3. Was ist in das Angebot aufzunehmen?
Bspw. detaillierte Leistungsbeschreibung, Konzepte, Pläne, Visualisierungen
4. Welche Unterlagen sind grundsätzlich mit dem Angebot einzureichen?
Bspw. Management Summary, Zertifizierungen
Über vordefinierte Standards, welche den Bietern vorgegeben werden, wird eine einheitliche Basis zur Gegenüberstellung der Angebote ermöglicht.
Eines darf jedoch nicht außer Acht gelassen werden: Nicht nur auf den Inhalt der Angebote kommt es an. Nur wenn der zu erbringende Leistungsinhalt in den Ausschreibungsdokumenten ganz genau und unmissverständlich beschrieben ist, hat der Bieter die Möglichkeit, ein qualifiziertes Angebot zu erstellen.
Sind die Leistungsinhalte schwammig beschrieben, wird der Bieter kein fähiges Angebot mit seriösen Preisabgaben erstellen können und man hält lediglich Hochglanz-Marketing-Mittel in den Händen. Diese sehen zwar meistens großartig aus, aber das war es dann auch schon.
ES IST NICHT ALLES GOLD WAS GLÄNZT
Mogelpackungen findet man zur Genüge in Supermärkten: Es wird suggeriert, ein vermeintlich günstigeres Produkt in den Händen zu halten, bis man dann feststellt, dass die Nachbarpackung zwar etwas mehr kostet, aber dafür auch mehr Inhalt im Einkaufswagen landet.
Die Lösung für den Angebotsvergleich: Ausschlüsse zur Ausschreibung.
Sollten Anforderungen nicht gewährleistet sein und seitens des Bieters teilweise oder sogar ganz ausgeschlossen werden, hat er dazu in der standardisierten Ausschlussliste, die sich in der Anlage zu den Ausschreibungsdokumenten wiederfindet, schriftlich und eindeutig erkennbar darauf hinzuweisen. Ziel vor dem Preisvergleich ist es, gravierenden Ausschlüssen zu den Leistungsinhalten zu widersprechen und ggf. dadurch bereits Bieter vom weiteren Ausschreibungsverfahren auszuschließen. Ebenso besteht die Möglichkeit, Leistungsminderungen, die akzeptabel sind, auch an andere Bieter zu kommunizieren, um ein einheitliches Leistungsniveau zu erlangen.
Ausschlüsse, die nicht in dieser Anlage, sondern textuell im Angebot eingereicht werden, haben keine Gültigkeit – in diesem Fall wird die vollumfängliche Erfüllung der geforderten Leistungsinhalte unterstellt.
Was wir alle nicht haben - ist Zeit. Zeit, um sich durch unüberschaubare Angebote zu quälen, um sich am Ende dann erst zu fragen, worum es sich eigentlich genau bei dem angebotenen Leistungsumfang handelt.
IM EINKAUF LIEGT DER GEWINN
Die vorzitierte Weisheit wird auch Sie als Einkäufer im täglichen Business begleiten. Um auch die zu erwartenden Preisabgaben der Bieter im späteren Verlauf gegenüberstellen zu können, ist mit der Erstellung der Ausschreibungsunterlagen gleichzeitig ein dazu passendes Preismodell mit einem Preisblatt zu definieren.
Im Preismodell werden folgende Parameter festgelegt:
welche Leistungen werden über welche Preispositionen vergütet
wie lauten die generellen Zahlungskonditionen
Abrechnung nach Stück, Zeit oder pauschal
Preisstaffellungen
Möglichkeit weiterer Leistungsangebote
Die Darstellung des Preismodells erfolgt in einem vordefinierten Preisblatt, in welches der Bieter seine Angebotspreise strukturiert eintragen kann.
So werden willkürliche Preisabgaben vermieden, bei denen der Bieter selbst entscheiden kann, wie er die angebotenen Leistungen bepreisen will. Denn wie der Volksmund bereits weiß: "Man kann Äpfel nicht mit Birnen vergleichen".
BIETERRÜCKFRAGEN
Nach Veröffentlichung der Ausschreibungsunterlagen beginnen die angefragten Bieter die bereitgestellten Dokumente zu sichten. In dieser Phase stellen die Bieter erfahrungsgemäß viele Rückfragen zum Leistungsinhalt (im Folgenden „Bieterfragen“), um sich die zur Angebotserstellung erforderliche Klarheit zu den ausgeschriebenen Inhalten zu verschaffen.
Lesen Sie im Weiteren, mit welcher Herangehensweise die umfangreiche Koordination und Kommunikation der Bieterfragen vereinfacht werden kann, um mögliche Herausforderungen und Stolpersteine innerhalb dieser Phase zu meistern.
Um die Rückfragen der Bieter professionell aufzunehmen, zu beantworten und zu kommunizieren, hat es sich bewährt, auf ein standardisiertes Q&A-Verfahren zurückzugreifen. Dabei werden die folgenden Schritte durchlaufen:
1. Erfassung der Bieterfragen
2. Einreichung & Annahme der Bieterfragen
3. Beantwortung der Bieterfragen
4. Anpassung der Ausschreibungsdokumente
Diese Herangehensweise gewährleistet, dass alle Bieter, zu jeder Zeit, denselben kommunizierten Informationsstand erhalten. Zudem fließen die final beantworteten Bieterfragen in die Ausschreibungsdokumente mit ein und werden als Vertragsbestandteil mitberücksichtigt.
Wir empfehlen, das Q&A-Verfahren bereits in den Ausschreibungsdokumenten den Bietern ausführlich mit allen Vorgaben und Prämissen zu erläutern.
1. ERFASSUNG DER BIETERFRAGEN
Es hat sich bewährt, bereits mit den Ausschreibungsdokumenten, den Bietern eine entsprechende Anlage zur standardisierten Erfassung der Fragen zur Verfügung zu stellen. In dieser Anlage wird zu jeder Frage der exakte Bezug zur Ausschreibung und deren Anlagen in Form von Angaben zu:
Name des Unternehmens (Bieter),
Anlage,
Dokument,
Kapitel und Kapitelbezeichnung,
Seite und Zeile
hergestellt. Dadurch wird sichergestellt, dass alle Fragen im selben Umfang und in derselben Form eingereicht werden. Die Fragen können somit einfach und schnell konsolidiert werden und Schwerpunktthemen lassen sich leicht erkennen.
2. EINREICHUNG UND ANNAHME DER BIETERFRAGEN
Die Einreichung und Annahme der Bieterfragen erfolgt innerhalb eines von Ihnen vorgegebenen Zeitraumes. Dieser hängt stark vom Zeitplan des gesamten Ausschreibungsverfahrens ab, sollte jedoch, wenn möglich, die Dauer von mindestens drei Kalenderwochen nicht unterschreiten.
Die Annahme der Bieterfragen erfolgt über einen vordefinierten Kommunikationskanal. Aus unserer Erfahrung hat sich dafür ein eigens eingerichtetes E-Mail-Postfach, mit einem für die Ausschreibung sprechenden Namen, bewährt.
Dies hat einen weiteren Vorteil: Sie können, im Vergleich zur Verwendung Ihrer eigenen E-Mail-Adresse, „anonym“ mit den Bietern kommunizieren und vermeiden somit, direkt und persönlich von den Bietern kontaktiert zu werden.
Durch ein separates Postfach kann durch den zukünftigen Auftraggeber jede Kommunikation nachvollzogen werden und es finden keine unabsichtlichen Nebenabreden statt. Ein wichtiger Aspekt, um im Ausschreibungsverfahren formal exakt und nicht angreifbar zu werden (Compliance).
Vorgabe für die Bieter ist es, nur Fragen innerhalb des definierten Zeitraumes zu stellen und ordnungsgemäß einzureichen, ansonsten werden die Fragen nicht akzeptiert und beantwortet.
3. BEANTWORTUNG DER BIETERFRAGEN
Die eingegangenen Fragen werden konsolidiert und durch Experten des jeweils befragten Themengebietes beantwortet. Alle Fragen werden im Anschluss anonymisiert und mit den entsprechenden Antworten allen Bietern zur Verfügung gestellt - auch denjenigen Bietern, die keine Frage(n) eingereicht haben. Damit wird ein einheitlicher Informationsstand bei allen Bietern sichergestellt. Dieser Vorgang kann sich beliebig oft, innerhalb des Q&A-Verfahrens, wiederholen.
4. ANPASSUNG DER DOKUMENTE
Durch die Bieterfragen können widersprüchliche oder unzulänglich beschriebene Leistungsinhalte aufgedeckt werden, die trotz sorgfältiger Erstellung der Ausschreibungsdokumente entstanden sein können.
Betroffene Dokumente der Ausschreibung werden daher, entsprechend der Antworten der Bieterfragen, angepasst und bilden somit später mit die Vertragsgrundlage. Unter diesem Aspekt ist auf eine genaue Einhaltung des Q&A-Verfahrens zu achten.
QUALITATIVE ANGEBOTE
Bieter, die sich aktiv am Ausschreibungsverfahren beteiligen und Rückfragen zu den Dokumenten stellen, zeigen ihre Interessen und können dadurch zielgerichtete und qualitativ hochwertige Angebote erstellen. Mögliche Defizite in den Ausschreibungsunterlagen können aufgedeckt und berichtigt werden.
Behalten Sie im Hinterkopf, dass Fragen, die innerhalb des Q&A-Verfahrens geklärt werden können, spätere Diskussionen und Konflikte nach einer Vergabe vermeiden und Sie bei Sichtung der Rückfragen bereits ein erstes Gefühl dafür bekommen, ob der Bieter die Leistungsinhalte verstanden hat.
Im Rahmen der öffentlichen Ausschreibungen kann ein fehlerhafter Umgang mit Bieterfragen sogar eine Rückversetzung des Vergabeverfahrens in den Bekanntmachungsstand nach sich ziehen und eine, im schlechtesten Fall, bereits durchgeführte Vergabe anfechtbar machen.
DER BIETERWORKSHOP
Anders als der Name „Bieterworkshop“ vermuten lässt, handelt es sich bei dieser Art Workshop um eine Veranstaltung, die im Zuge von Ausschreibungen vom Auftraggeber organisiert wird und deren Teilnehmer potenzielle Auftragnehmer (Bieter) sind.
DAS ZIEL
Der Bieterworkshop dient dazu, bei allen interessierten und angefragten Bietern ein einheitliches Verständnis zur Ausschreibung zu schaffen und Unklarheiten aufzulösen. Dazu werden die einzelnen Ausschreibungsdokumente (siehe Fachtipp „Ausschreibungsdokumente“) und der Ausschreibungsablauf erläutert.
Nach dem Bieterworkshop sollten alle Bieter in der Lage sein, ein qualifiziertes Angebot zu erstellen.
Es hat sich gezeigt, dass durch die verbale Erläuterung komplexer Ausschreibungsinhalte oft wesentliche Optimierungen am Angebot erzielt werden konnten. Auch Erläuterungen zu den auszufüllenden Dokumenten, wie beispielsweise Preislisten aus umfangreichen Preismodellen, werden von den Workshop-Teilnehmern meist dankend angenommen.
DIE VORBEREITUNG
Bereits während der Erstellungsphase der Ausschreibung ist der Bieterworkshop im Zeitplan der Ausschreibung zu berücksichtigen. Dabei sollte genügend Vorlaufzeit für den Anmeldezeitraum und für die Vorbereitung eingeplant werden.
In der Regel werden bei der Veranstaltung folgende Themen durch den Auftraggeber präsentiert:
Die zu beachtenden Rahmenbedingungen rund um das Ausschreibungsverfahren (z. B. die Zeitschiene)
Aufbau und Struktur der Ausschreibung (z. B. das Inhaltsverzeichnis der Leistungsbeschreibung)
ausgeschriebene Leistungsinhalte (z. B. die Servicezeiten)
Hinzu kommt die Möglichkeit, dass die Teilnehmer Fragen stellen können, die, wenn möglich, im Workshop direkt beantwortet, anschließend protokolliert und verteilt werden.
Um all diese Inhalte verständlich transportieren zu können, wird innerhalb der Vorbereitungsphase zum Workshop eine Präsentation erstellt, welche detaillierte Informationen zu den zuvor genannten Themenpunkten enthält. Des Weiteren wird festgelegt, welche Mitarbeiter die Moderation und Protokollierung des Workshops übernehmen und ob weitere Kollegen aus anderen Fachbereichen erforderlich sind, um gegebenenfalls fachspezifische Rückfragen der Bieter beantworten zu können.
Im Regelfall findet der Bieterworkshop in den Räumlichkeiten des Auftraggebers statt. Bei der Auswahl der Räumlichkeit ist die Anzahl der angemeldeten Bieter zu berücksichtigen und auf eine sinnvolle Bestuhlung zu achten. Neben ausreichenden Sitzplätzen freuen sich die Teilnehmer sicher auch über Getränke, Kaffee und einen kleinen Snack.
Eine Einladung zum Bieterworkshop wird an alle interessierten Bieter nach Veröffentlichung der Ausschreibung gesendet. Diese enthält Informationen, die wir auch sonst von Einladungen kennen:
Anlass
Titel des Ausschreibungsverfahrens
Datum und Uhrzeit
Dauer der Veranstaltung
Veranstaltungsort
Teilnehmerkreis
Anmeldungsformalitäten
Termin zur Teilnahmebestätigung
Anfahrtsweg
Parkmöglichkeiten
usw.
Ebenfalls werden weitere wichtige Informationen, wie z. B. das beim Eintreffen notwendige Anmelden, am Empfang oder Pforte, in der Einladung mitgeteilt. Die Rückmeldung zur Anmeldung sollte durch die Bieter an eine zentrale Stelle und über einen vorher definierten Kommunikationsweg erfolgen. Möglichkeiten hierfür sind zum Beispiel:
E-Mail-Postfach oder
Telefonische Anmeldung
DIE NACHBEARBEITUNG
Im Nachgang an den Bieterworkshop erhalten alle am Ausschreibungsverfahren beteiligten Bieter, also auch Bieter, die nicht am Workshop teilnehmen konnten, ein ausführliches Protokoll zum Bieterworkshop.
Dieses Protokoll enthält alle im Workshop gestellten Fragen der Bieter und ist meist ein Teil der „Bieterfragenliste“. Mehr Informationen zur „Bieterfragenliste“ finden Sie in unserem Fachtipp „Das Q&A-Verfahren“.
FAZIT BIETERWORKSHOP
Auch wenn die Organisation und Vorbereitung eines Bieterworkshops einen gewissen Aufwand bedeutet, sollte dieser bei größerem Ausschreibungsvolumen eingeplant werden. Er kann unter anderem folgende Mehrwerte liefern:
Angebotslücken werden geschlossen
Preise und Inhalte der Angebote verschiedener Bieter gleichen sich an und werden vergleichbarer
Angefragte Leistung wird für den Bieter greifbarer und besser bepreisbar
Widersprüchliche Beschreibungen können vor Vertragsbeginn beseitigt werden
Setzen Sie von Anfang an auf einen partnerschaftlichen, offenen Umgang mit den potenziellen Dienstleistern und helfen Sie ihnen beim Verstehen Ihres Service. Es wird sich für Sie langfristig lohnen.
CLEVERE BEWERTUNGSMETHODE
Endlich! Innerhalb der letzten Monate wurden von einer Vielzahl an Mitarbeitern viel Mühe und Zeit investiert, eine umfassende Ausschreibung zu erstellen, um diese dann am Markt zu veröffentlichen. Die ersten offenen Fragen der Bieter trudelten ein und wurden von Ihnen und Ihren Kollegen beantwortet. Im Idealfall gab es bereits einen Bieterworkshop, bei welchem die Ausschreibungsunterlagen im Detail allen Bietern vorgestellt wurden, um diesen ein einheitliches Verständnis zum Leistungsumfang und Ausschreibungsverfahren zu vermitteln. Konnten Sie soweit alles mit „Ja“ beantworten? Dann geht es weiter mit der Vorbereitung und Durchführung der Bewertung der eingehenden Angebote. Um bei der Bewertung von Angeboten strukturiert vorzugehen (und vor allem bei einer größeren Anzahl an Angeboten den Überblick nicht zu verlieren), greifen wir in unseren Projekten auf unsere bewährte und auf Herz und Nieren geprüfte Bewertungsmatrix zurück. Aber starten wir am Anfang.
DIE PRÜFER
Bei der Festlegung des Prüferkreises für die Angebote sollten Mitarbeiter der Fachabteilung, des Managements und des Einkaufes eingebunden werden, welche auch schon als Inputgeber bei der Erstellung der Ausschreibungsdokumente mitwirkten. Es ist nicht immer erforderlich, dass alle Prüfer alle Kriterien (vgl. Fachtipp „Vergleichbare Angebote“) bewerten. Die Kriterien können, je nach Fachgebiet und Expertise der Prüfer, auf diese aufgeteilt werden.
Die Anzahl der Prüfer ist so festzulegen, dass nach der Auswertung der Bewertung eine repräsentative Aussage getroffen werden kann.
Grundsätzlich ist die Prüfung der Angebote objektiv durchzuführen. Sind Angebote von Bietern zu bewerten, die in Ihrem Hause bereits durch Vorprojekte bekannt sind, sollten sich dennoch alle Prüfer bemühen, die Angebote unvoreingenommen zu bewerten.
Könnte bei einem Prüfer ein Interessenkonflikt bei der Bewertung entstehen, sollte bereits vor der Prüfung eine gemeinsame Lösung gefunden werden. Dieser Punkt sollte aktiv im Prüferkreis angesprochen werden.
DIE KRITERIEN
Wir empfehlen unseren Kunden, grundsätzlich fachliche und formale Bewertungskriterien zu trennen. Die formale Bewertung dient unter anderem der Überprüfung der abgegebenen Unterlagen auf Vollständigkeit und der in den Ausschreibungsunterlagen geforderten Angaben zur anbietenden Firma.
Formale Bewertungskriterien können unter anderem sein:
Wurde das Angebot fristgerecht und vollständig abgegeben?
Enthält das Angebot Angaben zu den geforderten Anforderungen (bspw. Angebotsumfang, Gültigkeit des Angebots, Sprachregelung etc.)?
Wurden alle geforderten Unterlagen dem Angebot beigefügt und, wenn erforderlich, unterschrieben und akzeptiert (bspw. Geheimhaltungsverpflichtung, Akzeptanz der Rahmenbedingungen)?
Formale Kriterien sind, wenn erfüllt, mit „Ja“ und bei nicht erfüllt mit „Nein“ zu bewerten und können auch von Kollegen ohne tiefer gehendes Fachwissen geprüft werden.
Es empfiehlt sich, die formale Prüfung vor der fachlichen Prüfung durchzuführen, um im Bedarfsfall fehlende Unterlagen oder Angaben bei den Bietern nachzufordern.
Die fachliche Prüfung ist an dieser Stelle anspruchsvoller. Sie stellt, neben der formalen Bewertung, einen entscheidenden Meilenstein innerhalb des Ausschreibungsverlaufs dar, denn es ergibt sich Ihnen die Chance, die Fähigkeiten und Motivationen der Unternehmen, die Sie im Idealfall als Partner in den nächsten Jahren begleiten, genauer zu betrachten.
Fachliche Bewertungskriterien können unter anderem sein:
Bewertung des beschriebenen Lösungsansatzes und der Umsetzung/der Herangehensweise des Bieters.
Bewertung der Erfahrung/ des technischen Know-hows des Bieters hinsichtlich der Anforderungen der Ausschreibung, z. B. zu Datenbanken, Applikationen,
IT-Architektur usw.
Bewertung der eingereichten Referenzen des Bieters, z. B. Ist die Referenz mit dem Leistungsumfang der Ausschreibung vergleichbar?
Die fachliche Prüfung stellt nicht nur sicher, dass nur die Bieter in die engere Auswahl kommen, welche auch den technischen und fachlichen Anforderungen am meisten entsprechen, sondern es entsteht dadurch auch ein erster Eindruck, ob die Bieter den Leistungsumfang richtig einschätzen.
Wurden alle formalen und fachlichen Anforderungen als Bewertungskriterien festgelegt, sind daraus im nächsten Schritt die Pflichtkriterien festzulegen, die in jedem Fall durch den Bieter zu erfüllen sind. Pflichtkriterien sind so zu formulieren, dass sie mit „Ja“ bei erfüllt oder „Nein“ bei nicht erfüllt bewertet werden können.
Pflichtkriterien werden auch gerne KO-Kriterien genannt und - ähnlich wie beim Boxen - geht auch ein Bieter „KO“, sollte er ein Pflichtkriterium nicht erfüllen.
Alle weiteren Kriterien und deren Gewichtung auf Bedeutung und Komplexität, sollten im Vorfeld erarbeitet und gemeinsam beschlossen werden. Für eine übersichtliche Darstellung der Kriterien kann es hilfreich sein, Kriterien - die thematisch zusammengehören - als Kategorien darzustellen.
DIE BEWERTUNG
Der Schlüssel zu einer erfolgreichen Bewertung besteht darin, dass alle Prüfer eine gemeinsame Methodik konsequent verfolgen. Wie eingangs beschrieben, wenden wir die Bewertungsmatrix an. In der Matrix sind alle formalen und fachlichen Bewertungskriterien erfasst. Es wurde festgelegt, welche Kriterien als Pflichtkriterien gelten, wie die einzelnen Kriterien später in der Auswertung gewichtet werden und welche Personen als Prüfer agieren.
Auch für die Bewertung an sich, muss ein einheitliches System angewendet werden. Bewährt hat es sich, dabei ein Punktesystem anzuwenden. Zum Beispiel können für ein Kriterium 0-Punkte vergeben werden, wenn die angebotene Leistung nicht dem Kriterium entspricht und auch eine Nachbesserung mit vertretbarem Aufwand durch den Bieter nicht absehbar ist und 5 Punkte, wenn die angebotene Leistung dem Kriterium in besonderem Maß entspricht und diese überfüllt wird.
Unabhängig davon, mit welchem System die Bewertung umgesetzt wird, wichtig ist, dass alle Prüfer ihre Einschätzung mit aussagekräftigen, schriftlichen Kommentaren begründen. So wird die spätere Überprüfung und Auswertung der Bewertung erleichtert und im Fall von Rückfragen zur Bewertung oder gar bei einer Anfechtung der Vergabe aufgrund der Bewertung, ist es entscheidend, so transparent wie möglich zu bewerten (Compliance).
DIE AUSWERTUNG
Bei der Darstellung der Auswertung sind Ihnen keine Grenzen gesetzt. Ob tabellarisch oder grafisch, wichtig ist nur, auf jeden Fall aufzuzeigen, welche Angebote nach der Bewertungsrunde „KO“ gegangen sind und mit welchem Erfüllungsgrad (alle Anforderungen erfüllt = 100 %) die einzelnen Angebote abgeschnitten haben.
Wurden die einzelnen Kriterien vorab unterschiedlich gewichtet oder/und kategorisiert, ist dies in der Darstellung Auswertung mit zu berücksichtigen.
NOCH EIN PAAR TIPPS UND TRICKS
Bevor Sie vorschnell eine negative Bewertung geben: Bitte lesen Sie sorgfältig das komplette Angebot, selbst wenn Sie innerhalb des Angebotes Inhalte vermissen.
Im Interesse einer objektiven und fachlich fairen Bewertung ist es wichtig, Angebote untereinander nicht zu vergleichen, sondern jedes Angebot eigenständig zu bewerten. Ein Vergleich der Angebote findet erst statt, nachdem alle Angebote individuell ausgewertet wurden.
Stellen Sie sicher, dass Ihre Bewertung auf Fakten basiert. Was beinhaltet das Angebot? Welche Angaben fehlen Ihnen im Angebot? Begründen Sie Ihre Schlussfolgerungen und Empfehlungen mit stichhaltigen Aussagen, Seitenangaben, Quellenbezug etc.
Bewerten Sie die Angebote ohne Beeinflussungen von außen.
Bitte beurteilen Sie die formalen und technischen Aspekte losgelöst von den gemachten Preisangaben der Bieter.
Seien Sie gründlich, fair und konsequent in Ihrer Entscheidung.
ZUR AUTORIN
Lisa Dolderer ist geprüfte Wirtschaftsfachwirtin und seit mehreren Jahren Consultant bei der RÖWAPLAN AG.
Sie ist in der Beratung sowie im Projektgeschäft tätig und hat schon viele Ausschreibungsverfahren erfolgreich begleitet.